Besucherinfo
IMAGINATION UND AUGENSCHEIN. Die Ausstellung
Gerti Deutsch/Ilija Trojanow
Ein leerer, dunkler Raum. Der Schriftsteller Ilija Trojanow beschreibt eine unsichtbare Fotografie. Während wir zuhören, entsteht das Bild in uns. Wir hören von einer hohen Mauer und stellen uns eine hohe Mauer vor. Wir hören von einem Klassenzimmer und in uns bildet sich der Raum, möbliert mit den Bänken und der grünen Tafel aus unserer Erinnerung. Es riecht nach Kreide. Ein Kind sieht jenem Nachbarsmädchen ähnlich, das drei Häuser weiter oben an der Straße wohnte.
Dann wird das Foto eingeblendet und wir schauen auf drei Bilder: das Bild in uns, das Bild, wie es der Dichter sieht, und die Fotografie, wie sie jetzt vor unseren Augen steht. Ein Schau-Spiel über das Wahrnehmen. Staunend, vielleicht auch mit leisem Schrecken, müssen wir erkennen, wie sehr Wand und Klassenzimmer abweichen von dem unabweisbaren Dokument der Fotografie. Eine verblüffende Lektion über etwas, das wir doch alle wissen, aber im politischen Diskurs so schnell verloren zu gehen scheint: Es gibt so viele Wirklichkeiten, wie es Wahrnehmende gibt. Wir sehen dasselbe und konstruieren es anders. Was uns als Gesellschaft hilft, ist, darüber informiert zu sein.
Gerti Deutsch
Die Bilder dieser Ausstellung stammen von der österreichisch-britischen Fotografin Gerti Deutsch. Als Jüdin in den Dreißigerjahren vom aufkommenden Nationalsozialismus aus Wien geflohen, etabliert sie sich in London rasch als erfolgreiche Fotojournalistin. Die einfühlsamen Foto-Essays der hellwachen Beobachterin erscheinen in den führenden britischen Magazinen der 40er- und 50er-Jahre.
Sie berichtet aus Japan, Frankreich oder Italien, diverse Reisen führen sie auch immer wieder nach Tirol und Vorarlberg. Bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in Alpbach entsteht eine umfangreiche Reportage über das Alltagsleben im damaligen Bergbauerndorf, die hier erstmals gezeigt wird. Schwerpunkte dieser Schau sind freie Arbeiten, die formal und ästhetisch über ihre Zeit hinausreichen, und ein einmaliger Blick in den Arbeitsprozess der Künstlerin: Vergrößerte Kontaktbögen offenbaren eine Virtuosin der Bildgestaltung.
Mit der Magnum-Fotografin Inge Morath zählt Gerti Deutsch zu den wichtigsten frühen Positionen der österreichisch-britischen Fotokunstgeschichte.
Geboren 1908 in Wien. Studium an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Studio- und Porträtfotografien in Wien. 1938 Emigration nach London. Zwischen 1937 und den frühen 1960er-Jahren Autorin zahlreicher Fotoreportagen für Picture Post, Nova, Holiday, Queen, Harper’s Bazaar, The Tatler und die Schweizer Magazine Atlantis und L’ŒIL. Verstorben 1979 in Leamington Spa, England.
Ilija Trojanow
Er ist in Bulgarien geboren. Er floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland. Heute lebt er in Wien. Sein vielseitiges Werk reicht vom poetischen Roman bis zum kämpferischen Essay. Zuletzt erschien »Tausend und ein Morgen« (S. Fischer) sowie »Das Buch der Macht« (Die Andere Bibliothek).
Idee und Konzept der Hör-Bild-Installation: Hans-Joachim Gögl
Kurator der Ausstellung: Herman Seidl
Eine Kooperation mit dem FOTOHOF archiv Salzburg, in dem der Nachlass der Künstlerin gepflegt und bearbeitet wird.
Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie in unserem ausführlichen Führungskonzept:
IMAGINATION UND AUGENSCHEIN. Gerti Deutsch Ilija Trojanow Führungskonzept